Österreich engagiert sich seit Jahren massiv im Rahmen der internationalen EUFOR-Mission in Bosnien. Im Zuge der aktuellen Hochwasserkatastrophe sind die heimischen Soldaten aber nicht nur mit Sicherheitsfragen beschäftigt, sondern auch mit umfangreichen Evakuierungs- und Versorgungsaufgaben.

Minen räumen, Sicherheitskräfte ausbilden und den fragilen Frieden zwischen den unterschiedlichen Volksgruppen und Konfliktparteien überwachen. So lassen sich die Kernaufgaben der österreichischen EUFOR-Soldaten kurz und knapp zusammenfassen. Im Normalfall, denn dieser Tage sind die Soldaten mit weit mehr Aufgaben beschäftigt: Nachdem große Teile des Einsatzgebiets in Bosnien von einem verheerenden Hochwasser überschwemmt wurden und sich Hunderte Sturzbäche und Muren Bahn gebrochen haben, sind die österreichischen Soldaten in die Rolle von Katastrophenhelfern geschlüpft. Sie transportieren Lebensmittel in abgeschnitte Gebiete und evakuieren von dort obdachlos gewordene Menschen und Verletzte. Koordiniert wird all das in Camp Butmir, der militärischen Basis der EUFOR-Truppen.

Das Camp liegt südlich von Sarajevo am Rande des Flughafens und ist vorübergehende Heimat für die meisten der mehr als dreihundert österreichischen Soldaten, die derzeit im Rahmen von EUFOR ALTHEA in Bosnien stationiert sind. So auch die von Major Udo Koller, Kommandant des Heli Detachments von EUFOR, das mit seinen drei Alouette III und zwei Black Gawk S70 des Bundesheeres Aufträge von EUFOR durchführt und aktuell voll im Hochwassereinsatz steht. „Dazu gehören immer wieder auch Noteinsätze wie etwa am 16. Mai, als wir einen dringenden Heli-Request aus dem Joint Operations Center, dem Lagezentrum von EUFOR, erhalten haben”, sagt Major Koller im Gespräch mit Militär Aktuell. „Wir sollten möglichst schnell in den Norden von Zenica fliegen, wo einige Bergdörfer von der Umwelt abgeschnitten wurden. Da nichts Genaueres bekannt war, haben wir zur Sicherheit eine Notärztin von AUTCON, dem österreichischen Kontingent im Dienst von EUFOR, mitgenommen. Und das war – wie sich vor Ort zeigen sollte – eine gute Entscheidung.”

Auf dem Weg nach Norden überflog der Hubschrauber eine überschwemmte und zerstörte Landschaft, aber auch die frühere Konfrontationslinie, die heute – obwohl seit 1995 Frieden herrscht – immer noch von EUFOR überwacht wird. Weiter ging es tief ins Bosnatal hinein. „Und dort haben wir dann die Menschen entdeckt”, so Koller. „Sie sind aus Angst vor den Muren auf die Bergkuppen geflüchtet und haben Landeplätze markiert, obwohl viele von ihnen völlig durchfroren waren. Unter den Menschen waren auch viele Verletzte, Kinder und alte Leute in Rollstühlen. Nachdem wir über Funk Verstärkung angefordert hatten und eine weitere Alouette MEDEVAC (Anm.: Notarzthubschrauber) mit einer österreichischen Notärztin an Bord und ein Black Hawk eingetroffen waren, haben wir mit der Evakuierung begonnen. Ein Ortsvorsteher und ein Arzt haben entschieden, wer als Erstes mitkommt und wer warten muss. Verletzte, Kranke, Schwangere, alte Menschen und Kinder wurden in dieser Reihenfolge mitgenommen.”

@Dieter Muhr

 

Die österreichischen Helikopter transportierten die Evakuierten nach Zenica, wo das Stadion kurzerhand in einen Landeplatz umfunktioniert wurde und sich Rettung, Feuerwehr und freiwillige Helfer weiter um die Menschen kümmerten. Die Helis haben sich einstweilen schon wieder auf den Weg zurück gemacht, um weitere Menschen abzutransportieren. „Alleine an diesem Tag konnten so knapp 300 Personen evakuiert werden und an den folgenden Tagen ging es weiter: Menschen aus dem betroffenen Gebiet evakuieren, Hilfsmaterial reinfliegen”, sagt Major Koller. „Entscheidend für den reibungslosen Ablauf war aus meiner Sicht das perfekte Zusammenspiel unserer Leute im Helicopter Detachment. Ohne die ausgezeichnete Arbeit der Techniker, die perfekte Koordination im AIR OPS Headquarter und die Unterstützung durch die Ärzte, Flugsicherung und Flugretter hätten wir nicht erfolgreich sein können. Lob gebührt auch der zivilen Organisation in Zenica und natürlich nicht zuletzt der Disziplin der Betroffenen.”

Einige Tage später trifft ein Erkundungskommando von AFDRU, der militärischen Katastrophenhilfseinheit des Bundesheeres, in Butmir ein und wird vom österreichischen nationalen Element, dem AUTNE, aufgenommen. Das Kommando soll den Einsatz von Wasseraufbereitungsanlagen erkunden. Durch das Hochwasser wurden zahlreiche Brunnen und Trinkwasserreserven mit Chemikalien, Schmutz, Fäkalien, Öl und Treibstoffen verunreinigt – es herrscht daher dringender Bedarf an frischem Trinkwasser. Mit drei Lkw kann das aufbereitete Wasser anschließend verteilt werden, darüber hinaus helfen die österreichischen Soldaten auch bei der Reinigung und Desinfizierung von Brunnen, um diese langsam wieder nutzbar zu machen. Aber das ist zu diesem Zeitpunkt noch Zukunftsmusik, aktuell läuft erst die Erkundung. Währenddessen trifft vor Ort zusätzlich auch die österreichische Intermediate Reserve Company, die kompaniestarke Eingreifreserve für EUFOR, ein. Sie kommt aus Straß in der Steiermark und wurde mit Soldaten aus anderen Bundesländern verstärkt. Die nächsten Monate werden sie das Camp bewachen, bei der Beseitigung der Schäden der Flutkatastrophe helfen und zur Sicherheit im Land beitragen.

Zurück zu AFDRU, deren Hauptkontingent am selben Tag in der Region Orasje eintrifft. Dort wird rasch die Trinkwasseranlage aufgebaut. Schon am Tag danach kann Wasser aufbereitet und verteilt werden. Stabswachtmeister Erden Gynaydin: „Wir können mit der Anlage bis zu 240 Kubikmeter Wasser am Tag produzieren und somit 50.000 Menschen versorgen.“ Genug, um eine anständige Grundversorgung zu gewährleisten und damit den Ausbruch von Epidemien und die Verbreitung von Krankheiten möglichst einzuschränken. Und das ist es schließlich, was aktuell hier am wichtigsten ist. Auch wenn parallel dazu bereits weiter an der Entschärfung der vielen durch die Überschwemmungen im Land verteilten und immer noch scharfen Minen gearbeitet wird und gleichzeitig dazu auch die alltäglichen Sicherungs- und Sicherheitsaufgaben nicht vernachlässigt werden dürfen. Aber dazu ein andermal mehr.

Quelle@Dieter Muhr