US-Medien berichteten in den vergangenen Tagen über vier US-Senatoren, die seit fast zwei Jahren aktiv gegen Rüstungslieferungen der Vereinigten Staaten an die Türkei auftreten. 

Jahrzehntelang bezog die Türkei die meisten ihrer Waffen aus den USA, zuletzt hat sich die türkische Militärindustrie aber merklich autarker entwickelt. Speziell bei unbemannten Geräten wie Anka oder Bayraktar wurden enorme Fortschritte erzielt und diese jüngst im Libyen-Konflikt auch unter Beweis gestellt. Obwohl „made in turkey”, finden sich in den Geräten aber trotzdem viele Teile und Baugruppen aus US-Fertigung – wie beispielsweise Triebwerke. Diese sind für die Türkei aber mittlerweile deutlich schwerer zu bekommen wie früher.

US-Medien berichten nämlich über vier Senatoren beziehungsweise Kongressmitglieder (Jim Risch, Michael McCaul, Eliot Engel und Bob Menendez), die in zwei Fachausschüssen – entweder einzeln oder gemeinsam – seit fast zwei Jahren mehr oder weniger stillschweigend alle größeren US-Waffenverkäufe an die Türkei blockieren. Damit wollen sie Präsident Recep Tayyip Erdogan unter Druck setzen, damit dieser die 2,5 Milliarden Euro schwere Beschaffung des russischen Luftverteidigungssystems S-400 doch noch aufgibt.

@Militär Aktuell/Mader
Blockieren US-Waffengeschäfte mit der Türkei: Senator Jim Risch (Republikaner, Idaho), Congressmen Michael McCaul (Republikaner, Texas), Congressmen Eliot Engel (Demokrat, NY) und Senator Bob Menendez (Demokrat, NJ). Ihr überparteiliches „Betreiben” wirkt sich wie in der Causa des türkischen Rauswurfs aus dem F-35-Programm schon seit zwei Jahren auf diversen Ebene aus – ein weiteres Zeichen für die tief zerrüttete Beziehung zwischen den beiden NATO-Verbündeten.

Vom Prozedere her wird traditionell den Vorsitzenden und ranghohen Mitgliedern des Senatsausschusses für auswärtige Beziehungen und des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten des Senats – den sogenannten „vier Ecken” – während Waffenverkaufsverfahren die Möglichkeit eingeräumt, das US-Außenministerium von der Genehmigung von Waffenverkäufen an ausländische Regierungen abzubringen, per Benachrichtigungen auf informeller Basis. Der Gesetzgeber hat diese Benachrichtigungsfristen genutzt, um den Fortgang von solchen Verkäufen zu verhindern, hält solche Überlegungen jedoch für sensibel und spricht selten öffentlich darüber. Noch seltener kommen die handelnden Personen ins Rampenlicht und in diesem Fall haben auch nur die beiden Republikaner ihre Aktivitäten gegen weitere Rüstungsverträge bestätigt. Die Büros der beiden Demokraten teilten mit, man wolle sich dazu nicht äußern.

Nichts geht mehr
Erdogans Entscheid gegen das US-Boden-Luft-Raketensystem Patriot und für das russische System S-400 sowie der militärische Einfall der Türkei in das von Kurden kontrollierte Nordsyrien im vergangenen Jahr frustrierten zahlreiche Kongressmitglieder. Senator Jim Risch erklärte: „Die Türkei ist ein langjähriger strategischer Verbündeter der USA. Aber diese Beziehung hat sich in den vergangenen Jahren dramatisch verschlechtert und verschlechtert sich noch schneller weiter. Die Beschaffung des russischen S-400 durch Präsident Erdogan hat die Art unserer Beziehungen erheblich verändert. Dieser Kauf kommt unserem Gegner Putin zugute und gefährdet die Integrität des NATO-Bündnisses.”

Risch weiter: „Es gibt weiterhing ernsthafte Bedenken hinsichtlich des Kaufs des S-400 durch die Türkei, und zwar in beiden Parteien und in beiden Kammern. Bis die durch diese Anschaffung aufgetretenen Probleme nicht gelöst sind, werden ich und meine Unterstützer weiteren Waffenverkäufe an die Türkei nicht unterstützen. Keinesfalls! Das betrifft sowohl neue Verkäufe als auch die Routine der Erneuerung bestehender Verträge.”

@Army Technology
Ankara ist zum genauen Gegenteil dessen entschlossen, was der US-Kongress erreichen möchte: Diesen Mai ging die erste Batterie operationell (noch mit Almaz-Antey-Personal im Land) und am 23. August gab der Generaldirektor des staatlichen Rüstungskonzerns Rosoboronexport Alexander Michejew, bekannt, dass Russland und die Türkei einen Kontrakt über die Lieferung des zweiten Regimentskomplexes an S-400 abgeschlossen haben. Laut dem Chef der föderalen Behörde für militärtechnische Zusammenarbeit, Dmitri Schugajew, wären die bilateralen Verhandlungen darüber zwar weit fortgestritten, ein Vertrag sei jedoch noch nicht signiert worden.

Im November 2019 verärgerte die Türkei die fachlich Zuständigen (viele ex-US-Militärs) weiter, als sie mit dem S-400 provokativ auf eine (türkische) F-16 aufschalteten. Ein Schritt, der als implizite Bedrohung aller F-16-Nutzer interpretiert wurde. Das passierte übrigens am Tag, nachdem Präsident Erdogan im Oval Office zu Gast war. Der Zorn im Kongress in Washington war aber schon zuvor hörbar. Als der Ärger über die Invasion der Türkei in Syrien im Oktober seinen Höhepunkt erreichte, nannte Senator Engel den türlischen Präsidenten Erdogan einen „autoritären Schläger”, dessen Regentschaft ein eklatanter schwarzer Fleck auf den historischen, säkularen und demokratischen Traditionen der Türkei darstellt. „Wir müssen ihn unter Druck setzen, während wir die Diplomatie vorantreiben, in der Hoffnung, die Türkei als NATO-Verbündeter wieder auf den richtigen Weg zu bringen!”

Oval Office zuwenig hart
Die Beziehungen der Türkei zu den USA sind bereits seit mehreren Jahren angespannt – insbesondere zum Kongress. Die steigende Skepsis und Sorgen unter US-Parlamentariern beider Lager scheinen deutlich stärker zu sein als im Weißen Haus. Die gegenwärtige Administration will Erdogan politisch nicht völlig verstoßen und noch vorhandene Gesprächskanäle zuschütten. Der Kongress will hingegen den Präsidenten zu weiterreichenden Sanktionen und mehr Härte gegen die türkische Führung bewegen. Ein motivierendes Vehikel dazu ist aus Sicht der „Lawmakers” das Fehlen von Maßnahmen der Trump-Regierung zur Umsetzung des CAATSA (Countering America’s Adversaries Through Sanctions Act). Dieses Gesetz kann jedes Land treffen und wird von Sicherheits- und Außenpolitikern weltweit als hegemonial und protektionistisch scharf verurteilt. Die Betonung liegt auf „kann”, denn während die Trump-Regierung eigentlich verpflichtet wäre, Sanktionen gegen jede Nation zu verhängen, die russische Großwaffensysteme beschafft, muss das Weiße Haus diese Sanktionen sehr zum Ärger des Kongresses erst noch extra bestätigen. Das dürfte etwa den Verteidigungsminister Indonesiens zum Schreiben eines in Richtung Österreich aufgegebenen Briefes motiviert haben. Allerdings ist nicht jeder, der bei Präsident Putin Verträge unterzeichnet, gleich anrüchig. So durfte Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi in Russland mehr oder weniger kritiklos MiG-29M, Su-35 und Ka-52 kaufen.

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Quelle@Facebook, Georg Mader, White House Press Service, Meriç Dağlı on Unsplash, Army Technology