Die Welt blickt dieser Tage besorgt auf die sich offenbar weiter zuspitzende Krise in der Ostukraine, für viele Experten scheint eine Eskalation bis hin zu einem neuen Krieg durchaus wahrscheinlich. Während aus europäischer Perspektive die russischen Truppenzusammenziehungen und -verlegungen an seine Westgrenze oft nur schwer verständlich sind, lässt ein Blick über den Tellerrand (siehe beispielsweise hier) dann doch eine gewisse Methodik erkennen.
Video from the Russian MoD of the snap inspection of the Eastern Military District. The video shows a variety of equipment loaded onto trains, including artillery, MLRS, and Buk air defense systems. https://t.co/2Z0CuCjfh8 https://t.co/jAlTtRoqKQ pic.twitter.com/FmhaVyd4P6
— Rob Lee (@RALee85) January 14, 2022
Michael Kofman vom CISAC-Stanford analysiert beispielsweise in untenstehendem Video (ab Minute 3:20) den derzeitigen russischen Kräfteaufbau östlich der Ukraine.
Als Hintergrund warum das alles jetzt passiert, sei auf das vor einem Monat erschienene Interview von Kreml-Berater Sergej Karaganow (der Mann, der seit 2010 versucht zwischen Russland und China stärkere Bande zu knüpfen) verwiesen, der im von Prinz von und zu Liechtenstein herausgegebenen und monatlich auch der Presse beiliegenden neuen Gesellschafts-Magazin Pragmaticus ausführlich erklärt, warum aus Russlands Sicht das Eliten-Europa zerbricht, Russland sich China zuwendet und sich der „neue Kalte Krieg” sehr wahrscheinlich in einen heißen Konflikt verwandeln dürfte. In dem Gespräch warnt Karaganow auch vor der US-amerikanischen „Dummheit”, zu glauben, dass sich China in ein demokratisches Land verwandeln werde.
Ein weiteres vielleicht signifikantes Detail den russischen Präsidenten Wladimir Putin betreffend: Gegenüber Militär Aktuell hat Andrej Boginskij (CEO Russian Helicopters, siehe Bild links) kürzlich in Dubai erzählt, dass Putin sich zweimal im Jahr in Sotschi für drei Tage zusammen mit Verteidigungsminister (Sergej Schoigu) und Generalstabschef (Waleri Gerassimow) sowie den Kommandanten der Teilstreitkräfte und mit den Spitzen der russischen Verteidigungsindustrie (Luft, Land, See, Weltraum, Cyber) in Klausur begibt. Dabei werden Entwicklungen, Exportanstrengungen und auch Fehlschläge in allen Bereichen im Detail durchdiskutiert. Man könne das phasenweise auch als „Rapport” bezeichnen, so Boginskij (jüngstes Protokoll).
Jedenfalls habe sich Putin dadurch über die Jahre ein derart umfangreiches Fachwissen über den Sektor angeeignet, über das ähnlich – so Boginskij – wohl kein westlicher Staatschef verfüge. Es sei nahezu unmöglich, ihm „ein X für ein U” vorzumachen. „Er fragt dich nach einem Jahr oder mehr unvermittelt, was explizit aus diesem oder jenem Projekt geworden sei, welches man doch dann und dann in Sotschi besprochen habe.” In der Neujahrsansprache 2022 vor der versammelten Armeespitze hat Putin auch selbst genau jene Treffen besonders erwähnt (siehe Video oben).
