Beim Besuch einer Studiengruppe des „Marshal Funds” in Kiew wurde kürzlich bekannt, dass die OSZE-Mission zur Überwachung des Waffenstillstandes in der Ostukraine im August ihr wichtigstes Beobachtungsmittel eingebüßt hat: Die vom österreichischen Hersteller Schiebel per Flugstundenabrechnung gestellten Camcopter S-100. Warum aktuell kein Flugbetrieb mehr stattfindet? Militär Aktuell bat Unternehmer Hans G. Schiebel zum Gespräch.

Herr Schiebel, eine US-Studiengruppe behauptet, Sie hätten vor den harschen Kriegsbedingungen über der Ostukraine „kapituliert”. Die elektronischen Störungen der Link- und Datenverbindung durch prorussische Separatisten und Abschüsse von Drohnen hätten weitere Einsätze unterbunden, Schiebel habe die Mission nicht durchgehalten.
Das ist Blödsinn! Die Mission lief sogar sehr gut, die anfängliche Störerei hatten wir durch Hardware längst überwunden (Anmerkung: Auf Fotos eines zerstörten Camcopter war ein kanadisches ECCM-Bauteil zu sehen). Dieser Faktor stellte für uns also kein Problem mehr dar. Anders sieht es hingegen beim Verlust von Geräten aus: Wir haben 2015 zwei und dann im Sommer 2016 in rascher Folge drei Maschinen durch Luftabwehrraketen verloren.

@Georg Mader
Unternehmer Hans G. Schiebel.

Der US-Botschafter bei der OSZE Daniel Baer hat den Camcopter-Einsatz sehr gelobt. Seinen Aussagen zufolge sind damit unzählige Verstöße gegen die Regeln des Minsker Abkommens verifiziert worden, das System habe sich speziell in der Nacht bewährt.
Das stimmt. Obwohl die Ergebnisse direkt an die OSZE gingen, haben wir denselben Eindruck gewonnen. Unabhängig davon bedeutet der Einsatz in der dort sehr unfreundlichen Umgebung für uns einen enormen Erfahrungsgewinn.

Wie ist nun der Stand der Dinge? Warum fliegen aktuell keine Camcopter mehr? Hat die OSZE die Notbremse gezogen oder gibt es Probleme, die verlorenen Maschinen zu ersetzen?
Nein, der Nachschub dafür wäre in jedem Fall ausreichend – wir produzieren schließlich laufend auch für andere Kunden. Fakt ist, dass wir die Notbremse gezogen haben. Das Missionsregime vor Ort war leider sehr rigide, hat unsere Geräte jeden Tag zur selben Zeit und aus derselben Richtung und Höhe über demselben Gebiet eingesetzt. Die Separatisten konnten daher die Uhr nach uns stellen, was Abschüsse natürlich deutlich vereinfacht hat. Das war so, als würden wir jeden Tag mit Augenbinde vors Erschießungskommando geführt werden. Da wir nicht alle Verluste ersetzt bekamen, haben wir im Sommer unseren Wunsch geäußert, bei der Missionsplanung mitreden zu können. Nur wenn wir Flughöhe, Route und Co mitbestimmen können, fliegen wir auch wieder. Laut OSZE denkt man darüber derzeit noch nach.

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Quelle@Georg Mader
Der Autor ist einer der renommiertesten österreichischen Luftfahrtjournalisten, Korrespondent des britischen Jane’s Defence und schreibt seit vielen Jahren für Militär Aktuell.