Brigadier Dietmar Schinner, Leiter der Budgetabteilung im BMLVS, im Gespräch über die aktuelle Budgetsituation, die Aufteilung der Finanzmittel des Heeres und die zukünftige Entwicklung der Landesverteidigungsausgaben.

Herr Brigadier, viele Leute haben den Eindruck, das Bundesheer hat keine Geldsorgen mehr. Ist das wirklich so?
Nein, auch wenn viele Leute glauben, wir schwimmen im Geld. Tatsächlich sieht es anders aus. Es gibt ein zartes Budget-Pflänzchen, das vielleicht zum Blühen kommt. Nach vierzig Jahren Sinkflug hat unser Landesverteidigungsbudget 2015 mit 0,54 Prozent des BIP (Anm.: Bruttoinlandsprodukt) den absoluten Tiefpunkt erreicht. Jetzt haben wir ein Bundesfinanzrahmengesetz und sollten im Jahr 2020 auf 0,61 Prozent kommen. Wenn die Werte des Bundesfinanzrahmens bestätigt werden, dann kann der Trend nachhaltig werden. Vielleicht gelingt uns noch ein Sonderinvest, also etwas dazu.

Wie stellt sich das Budget im Großen und Ganzen dar?
2,3 Milliarden stehen zur Verfügung, davon 1,25 Milliarden für Personal im engeren Sinn. Die Grundwehrdiener dazugerechnet, liegen die Personalkosten bei rund 60 Prozent. 30 Prozent laufen in den Betrieb und zehn Prozent bleiben für Investitionen. 142 Millionen für den Sport sind in den drei Bereichen auch dabei. Personal, Betrieb und Investitionen gleichen sich wie zusammenhängende Gefäße aus. Steigen die Gehälter, dann muss das bei Betrieb und Investitionen ausgeglichen werden. So einfach ist das. (lacht)

Jürgen Zacharias
Brigadier Mag. iur Dietmar Schinner ist Haushaltsreferent und Leiter der Budgetabteilung im BMLVS.

Ist es wirklich so einfach?
Nein, natürlich nicht. Es gibt auch eine Reihenfolge. Zuerst sind die Beamtengehälter und die Grundwehrdiener zu bezahlen. Das ist gesetzlich vorgeschrieben. Danach kommen die vertraglichen Verpflichtungen. 92 Prozent des Budgets sind im Vorhinein festgelegt. Da ist wenig disponibel und kaum Platz für Managementleistungen. Ich könnte zwar entscheiden, keine Leute mehr aufzunehmen, hätte dann aber mit einem Personalmangel zu kämpfen.

Wie liegen wir mit dem Budget im internationalen Vergleich?
Die NATO-Standards für ein gesundes Heer sehen 50 Prozent der Ausgaben für das Personal vor, 30 Prozent für den Betrieb und 20 Prozent für Investitionen. Hätte ich ein vernünftiges Budget mit 3 Milliarden Euro, dann hätte ich 40 Prozent Personalkostenanteil und einen ansprechenden Investitionsanteil. Kämen andererseits weitere Reduktionen, dann hätte ich sogar 70 Prozent Personalkosten. Aber Vergleiche sind schwierig, weil die Armeen verschieden rechnen. Ist die Luftwaffe oder die Marine eingerechnet? Sind die Pensionen dabei? Es kommt genauso auf die Wehrform an. Habe ich ein Berufsheer oder eine Wehrpflichtigenarmee? Die Schweiz hat vergleichsweise geringe Personalausgaben, hat aber auch ein wesentlich höheres Budget und ein durchgehendes Milizsystem. Bei Vergleichen muss man daher vorsichtig sein.

Wie viel Geld würde das Bundesheer brauchen?
Kalkulationen gehen von 2,6 bis 2,8 Milliarden Euro aus. Zielrichtung muss ein Prozent des BIP sein, was 3,6 Milliarden entspricht.

Warum?
Wir haben einen jahrelangen, massiven Investitionsrückstau. Alleine für dringende Investitionen in die Luftwaffe und die Luftraumüberwachung brauchen wir dringend einen dreistelligen Millionenbetrag. Investitionen müssten sogar sonderfinanziert werden, ansonsten würden die Vorbelastungen in die nächsten zehn Jahre reichen, was unseren Handlungsspielraum drastisch einengen würde. Wir verlieren jährlich einen dreistelligen Millionenbetrag in unserer Vermögensrechnung, weil in Gebäude, Gerät und Fahrzeuge nicht ausreichend investiert wird. Wir sind mit einem erheblichen Substanzverlust konfrontiert. Die Erhöhung müsste schrittweise stattfinden. Wegen der langwierigen Beschaffungsprozesse könnte man das gar nicht auf einmal ausgeben.

Wie werden sich die Personalkosten weiterentwickeln?
Die Pensionierungswelle rollt auf uns zu. Die Entscheidung, beim Personal aufzuwachsen, ist daher richtig. Wir stehen dabei im Wettstreit mit den drei exekutiven Organen Inneres, Justiz und Finanz, an denen uns die Interessenten messen. Wir müssen im Vergleich attraktiver sein. Die jungen Leute wollen anständige Unterkünfte, kompetente Ausbilder, interessante Übungen und internationale Einsätze, modernes Gerät und einen anständigen Verdienst. Das alles kostet zusätzlich Geld.

Was ist das Budget genau genommen eigentlich?
Für mich ist das Budget die in Zahlen gegossene Regierungspolitik eines Landes. Unsere neue Regierung wird im Regierungsprogramm definieren, was in der fünfjährigen Legislaturperiode wichtig sein wird. Mit der Verteilung des Geldes wird dann die Politik gemacht. Gemeint ist damit, welche gesellschaftlichen, wirtschaftlichen oder kulturellen Bereiche der jeweiligen Regierung wichtig sind. Im Budget sind wir heute Teil der Rubrik Recht und Sicherheit – gleichzeitig ein Politikfeld. Diese Rubrik umfasst nur mickrige 12,6 Prozent des Gesamtbudgets. Der Staat muss die Sicherheit bringen, damit Wirtschaft und Leute arbeiten können. Heute reduzieren wir Sicherheit zu sehr auf das Wohlgefühl der Menschen. Das ist zu wenig.

Die Regierung reflektiert den Wählerwillen. Die Mehrheit der Bevölkerung würde dem Bundesheer mehr Geld zuerkennen. Wird sich das nicht auswirken?
Wenn ich mir die Politik so ansehe, auch im Wahlkampf, dann plakatiert da niemand für das Bundesheer. Es ist die Rede davon, dass Österreich zukunftsfit werden muss, mit Bildung, Infrastruktur, Wirtschaft, Gesundheit. Alles richtig, keine Frage. Der Staat muss jedoch sicher sein. Wer in Sicherheit investiert, der investiert in die Wirtschaft, in die Leute, in die Nachhaltigkeit. Militärausgaben sind quasi eine gesellschaftliche Versicherungsprämie.

Seit Ende des Kalten Krieges wird das Bundesheer finanziell reduziert – Friedensdividende genannt. Ist damit nun endgültig Schluss?
Österreich ist im Vergleich zu anderen Ländern sehr sicher. Das kommt ja nicht von ungefähr. Natürlich wollen wir alle ein gutes Bildungs- und Gesundheitssystem, eine Infrastrukturmilliarde, einen Datenausbau, was allen zugutekommt. Wir stehen mit unseren Argumenten mit den anderen Ministerien im Wettstreit um knappe Ressourcen. Aber die Lage hat sich geändert. Die Bevölkerung lässt sich nicht mehr einreden, dass wir in sicheren Zeiten leben und kein ausreichend dotiertes Militär brauchen. Das Sicherheitsempfinden der Bevölkerung steht in einem direkten Zusammenhang mit einer glaubwürdigen Finanzierung des Bundesheeres. Und doch sind wir das einzige Ressort, in dem die Ausstattung mit Finanzmitteln immer mehr ausgedünnt wurde. In all den Jahren des Rückganges ist es vergleichsweise beim Bundesministerium für Inneres immer stetig bergauf gegangen. Natürlich haben sie 33.000 Bedienstete und wir 21.000, doch das wiegt das nicht auf.

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Schleichender Rückgang: Lag der Anteil des Landesverteidigungs-Budgets am österreichischen Bruttoninlandsprodukt (BIP) in den 1970er- und 1980er-Jahren noch bei rund einem Prozent, sank er dann in den 1990er- und 2000er-Jahren auf knapp über 0,5 Prozent.

Wofür gibt das Bundesheer in den nächsten Jahren nun sein Geld aus?
Mit Masse ist es der persönliche Schutz der Soldaten, besonders für den Auslandseinsatz. Es geht um moderne Helme, Schutzwesten, Bekleidung. Dann die Mobilität. Nach dem massiven Verkauf von alten Fahrzeugen sind Investitionen notwendig, altes Gerät muss ersetzt werden. Und dann sind da noch die Erhaltungsmaßnahmen bei den Gebäuden. Wir wissen alle, dass die Kosten in der Bauwirtschaft stetig steigen. Wir müssen aber herrichten, denn die nachträgliche Beseitigung von absehbaren Folgeschäden würde ein Vielfaches kosten. Immerhin steigt ein Gebäude im Wert, wenn ich darin investiere.

Wie sieht es denn unmittelbar im Jahr 2017 aus?
Der finanzielle Mehrbedarf beträgt für heuer schon 122 Millionen Euro. Hier die größten Brocken: Energie mit Strom und Heizen 40 Millionen, Treibstoff für Kfz und Luftfahrzeuge zusammen 30 Millionen, wobei uns der niedrige Ölpreis zugutekommt, und Fremdreinigung durch Firmen 12,5 Millionen. Theoretisch hätten wir 2016 insgesamt 300 Millionen Euro mehr bekommen müssen, doch das Finanzministerium hat nur 220 Millionen freigeben. Überhaupt haben wir im Zeitraum 2009 bis 2017 gegenüber den ursprünglich in den jeweiligen Bundes- finanzrahmengesetzen festgelegten Budgetansätzen fast ein ganzes Jahresbudget durch Konsolidierungsmaßnahmen verloren. Das heißt wegen Kürzungen, die vorgenommen wurden, um das Gesamtbudget zu sanieren.

Wie kommt das?
Der Finanzminister muss die Maastricht-Kriterien der Europäischen Union einhalten. Wir sind schon weit über dem vorgeschriebenen Verschuldungshöchstwert von 60 Prozent gemessen am BIP, nämlich bei 83,2 Prozent (Anm.: Stand Ende 2016). Wir stehen unter Beobachtung von Brüssel und unsere Neuverschuldung darf nur 0,45 Prozent sein. 0,35 Prozent vom Bund und 0,10 die Länder. Das nennt man bekanntlich das strukturelle Defizit. Österreich hat nun eine Schuldenbremse mit Wirksamkeit 2017 eingeführt. Motto: Wir halten das strukturelle Budgetdefizit ein und gehen nicht darüber. Der Finanzminister verteilt die 78 Milliarden so, dass die Defizitgrenze eingehalten wird. Die Schuldenbremse ist nicht im Verfassungsrang – noch nicht. Die Finanz zahlt nur monatlich aus und achtet darauf, dass nicht mehr ausgegeben als eingenommen wird. Passiert das dennoch, dann kann Geld zurückbehalten werden, es kann zu Budgetbindungen kommen. Unser Finanzminister sagt immer, dass wir kein Einnahmen-, sondern ein Ausgabenproblem haben. Wir geben immer etwas zu viel aus, und das schon seit Jahrzehnten. Damit wird Schluss sein, auch wenn man derzeit auf dem Kapitalmarkt zinsenlos frisches Geld aufnehmen kann.

Jürgen Zacharias
Brigadier Diemtar Schinner: „Uns ist bewusst, dass wir mit dem Geld anderer Menschen umgehen. Es kommt vom Steuerzahler und daher ist Sorgfalt Pflicht.“

Muss das Bundesheer nicht rechnen, wie alle anderen, weniger Geld zu bekommen?
Eigentlich schon. Es könnte insgesamt weniger werden. Außer die Wirtschaft springt an und die Einnahmen steigen. Die Auftragsbücher der Firmen für die nächsten Jahre sind voll. Die Österreichische Nationalbank erwartet aktuell eine Steigerung des BIP in diesem Jahr von rund 2,75 Prozent. Dann müsste unser Budget auch um 2,75 Prozent steigen. Doch ich befürchte, das wird nicht so sein. Alle Parteien sagen heute, wir werden 5 Milliarden in der Verwaltung sparen. Das Bundesheer ist ein Organ der öffentlichen Verwaltung. Es ist zu befürchten, dass der erhoffte Aufschwung nicht nachhaltig sein wird und das Pflänzchen welkt. Politiker und Parlament sollten erkennen, dass Sicherheit wichtig ist und dementsprechend dotiert werden muss.

Welchen Einfluss kann das Verteidigungsministerium darauf nehmen?
Die Budgets der Fachressorts entstehen nur mit Zustimmung des jeweiligen haushaltsleitenden Organs, sprich des zuständigen Ministers. Sie gehen ja einstimmig durch den Ministerrat, bevor sie im Parlament behandelt werden. Es stimmt also auch der Verteidigungsminister zu. Das Budgetrecht gilt nebenbei als das älteste Parlamentsrecht. Es wäre möglich, dass ein Verteidigungsminister sagt, mein Budget ist mir zu wenig. Dann müssen Finanzminister, Bundeskanzler, Vizekanzler und Verteidigungsminister so lange verhandeln, bis ein Einvernehmen hergestellt ist. Auch der Nationalrat könnte sagen, das Geld für das Bundesheer ist viel zu wenig, nachdem ja der Nationalrat das Budget beschließt. Manches Mal hat es den Anschein, dass einigen Parlamentariern nicht bewusst ist, welch maßgebenden Einfluss sie auf die Budgetgestaltung haben.

Wie stellt man sicher, dass vorhandene Mittel zweckmäßig eingesetzt wurden?
Unser Grundsatz ist die ökonomische Rationalität. Uns ist bewusst, dass wir mit dem Geld anderer Menschen umgehen. Es kommt vom Steuerzahler und daher ist Sorgfalt Pflicht. Die zentralen Fragen sind: Wo will ich hin? Was brauche ich unbedingt? Wie mache ich es am ökonomischsten? Es ist nicht wie früher, wo gesagt wurde, „da hast du das Geld, verbrauche es rechtmäßig und vernünftig“. Heute muss nachweislich etwas Positives bewirkt werden. Wir arbeiten wirkungs- und outputorientiert. Nice to have, derart also, „es wäre nett, wenn wir uns das auch noch kaufen würden“, das gibt es schon lange nicht mehr!

 

Interview: Dieter Muhr, Fotos: Jürgen Zacharias