Versteckt im Wald des Siegerlandes stellt die deutsche Rüstungsfirma Dynamit Nobel Defence (DND) die geschichtsträchtige Panzerfaust her. Militär Aktuell hat exklusiv einen Blick in das sonst so geheime Werk geworfen.

Gebäude 34 sieht von außen aus wie ein Werkzeugschuppen. Schmutzig-weiße Fassade, es riecht nach Öl, kaltweißes Neonlicht durchflutet den Raum. Ein Arbeiter schüttet weißes Granulat mit einer kleinen Schaufel in mehrere Pappbecher. Sorgfältig wiegt er einen nach dem anderen ab und fügt da und dort einige Bröserl hinzu.

Ein Stück weiter reinigt ein anderer Arbeiter in blauer Latzhose und sandfarbenem Polohemd mit Druckluft glänzende Edelstahlformen. In dem eingespielten Team herrschen höchste Präzision und absolute Konzentration. Diese Arbeit ist nichts für schwache Nerven. Gleich werden die Männer hier vier Mal 1,5 Kilo Sprengstoff namens PBXN9 für die Gefechtsköpfe der Panzerfaust 3 pressen. Der unscheinbare Werkzeugschuppen am Betriebsgelände von Dynamit Nobel Defence (DND) hat es also in sich. Hier, einige Kilometer nördlich von Frankfurt, mitten im deutschen Siegerland, steht eine der größten Sprengstoffpressen Europas. Sie bringt Explosivstoffe wie Hexogen und Oktogen mit knapp 600 Tonnen Presskraft in Form. „Erst diese hohe Dichte macht den Sprengstoff reaktionsfreudig”, erklärt der Produktionsleiter. Der 50-Kilo-Kübel, aus dem der Arbeiter den Sprengstoff schaufelt, ist also so gut wie ungefährlich. Würde eine brennende Zigarette hineinfallen, würde der Inhalt gemäßigt abbrennen. Ohne großes Bumms. Gepresst hat er hingegen das Zeug, mehrere Panzerkompanien außer Gefecht zu setzen.

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Neue Bedrohungsbilder erfordern schultergestützte Waffen mit großen Reichweiten und hoher Treffergenauigkeit.

Pappbecher für Pappbecher füllen die Arbeiter nun den Stoff in die stählernen Pressmatrizen. Deckel drauf und los geht’s. Die wuchtige Presse fährt durch die 50 Zentimeter dicke Betonwand. Hinter ihr erfolgt der mehrere Minuten dauernde Pressvorgang. „Wenn dem Sprengstoff Energie zugeführt wird, wie das beim Pressen der Fall ist, ist das ein äußerst kritischer Moment. Einmal ist schon was losgegangen”, erinnert sich der Arbeiter und schweigt über Details. „Ausblasende” Wände, das sind Fassaden aus Schaumstoff, lassen im Falle des Falls die Druckwelle ausfahren und halten Personenschäden möglichst gering.

Sicherheit steht schon beim Schritt auf das Firmengelände des Rüstungsherstellers an erster Stelle. Zündhölzer und Feuerzeuge sind logischerweise strikt verboten. Mobiltelefone dürfen nicht gezückt werden. Ein akribischer Belehrungs- und Registrierungsprozess für jeden, der hier hereinspaziert.

Die alten weißen Gebäude zeugen von der langen Geschichte dieser Fabrik. Ihre Wurzeln liegen beim schwedischen Erfinder des Dynamits, Alfred Nobel. Schon seit Anfang des 20. Jahrhunderts wird hier Sprengstoff hergestellt. Die insgesamt 260 Gebäude liegen weit verstreut auf einem Hügel. Das einen Quadratkilometer große Firmengelände ist umgeben von hohem Wald. Dazwischen ein dichtes Wegenetz und grasbewachsene Hügelbunker. Von der nahegelegenen Ortschaft Burbach (Nordrhein-Westfalen) ist davon nichts zu sehen. Das ist gewollt, denn Rüstungsproduktion beruht auf Diskretion. Zaungäste sind nicht willkommen.

Heute fertigt DND hier unter anderem sein Prestigeprodukt Panzerfaust 3, den „großen Bruder” Bunkerfaust und andere schultergestützte Mehrzweckwaffen wie das Wirkmittel 90. Zum Produktportfolio gehören auch reaktive Panzerungen für Fahrzeuge, das DND-Tochterunternehmen Eurodyn stellt zudem Sprengstoff her. Für den Transport der heißen Ware führt eine eigene Eisenbahnstrecke in den Wald hinauf.

Sowohl die Panzerfaust als auch das Wirkmittel 90 sind „Wegwerf-Rohre” (Disposable Launcher). Ein Schuss und das Rohr ist Abfall. Trotzdem ist die Herstellung aufwendig, wie ein Blick in die nächste Werkshalle zeigt. Um ein Alurohr werden Aramidfasern gewickelt. Damit sich das empfindliche Aluminium durch die hohen Kräfte beim Wickelvorgang nicht verformt, kommt noch ein Stahlkern hinein. Anschließend umhüllt eine Schicht aus Harz und Lack die Kunstfaser, bevor es in den Ofen zum Aushärten geht. Das war der einfache Teil, nun folgt die Qualitätskontrolle. Sie ist essenziell, denn beim Abschuss eines Gefechtskopfes wirken Kräfte von mehreren Hundert Bar. Materialfehler wären für den Schützen lebensgefährlich.

In der Druckprüfanlage geht es den Rohren an den Kragen. Eine Arbeiterin legt sie einzeln hinein, wo die Rohre mit 800 Bar im wahrsten Sinne des Wortes „aufgebläht” werden. Sensible Mikrofone messen Geräusche, die auf fehlerhafte Wicklungen der Aramidfasern und somit Schwachstellen schließen lassen. Von außen erkennt man, dass sich bei solch hohem Druck der Durchmesser kurzfristig ausweitet und sich das Rohr um einige Millimeter verkürzt.

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Was in den Fertigungshallen von DND in Burbach genau passiert, ist ein gut gehütetes Geheimnis. Nur selten bekommen Außenstehende wie unser Autor Stefan Tesch Zugang zu diesem sensiblen Bereich.

Schauplatzwechsel. Einige Häuserblocks weiter klafft eine Lichtung im Wald. Dort testen die Ingenieure neue Entwicklungen, Prototypen und Modifikationen von Waffen auf ihre Praxistauglichkeit. Herzstück ist dabei die neue 600-Meter-Schießbahn. Im Zielbereich prangt eine große weiße Fläche mit schwarzem Kreuz. Gleich daneben befinden sich kleine Schießstände für kurze Entfernungen bis 20 Meter. Hier testet DND aus Sicherheitsgründen die Waffen nur mit Treibladung und ohne Gefechtskopf oder Raketenantrieb. Das Testgelände säumen Stapel mit Panzerstahlplatten, die schon Rost angesetzt haben. Sie kommen nur selten zum Handkuss, aber dann dafür intensiv. So etwa im Testbunker. Dort riecht es beißend nach Sprengstoffrückständen. Wände und Boden zieren unzählige Spuren von Splittern – stille Zeugen von ungeheuren Explosionen. Hochgeschwindigkeitskameras dokumentieren die Tests. So sieht man auf einem Foto etwa, wie der Kupferkern von Hohlladungen wie ein Pfeil bis zu einem Meter tief in Panzerstahlplatten eindringt. Gänsehaut, wenn man an dieser Stelle an Panzerbesatzungen denkt.

Verhältnismäßig „langweilig” sind dann abschließend die Klima- und Temperaturkammern, wo die Waffen kontinuierlich mit Salzwasser besprüht werden. So testet man die Salzwasserbeständigkeit, denn die Panzerfäuste sind ein weltweit gefragtes Produkt. Daher stellt solch eine Werksführung für DND auch die Ausnahme dar. Zu groß ist die Angst vor neugierigen Blicken und Betriebsspionage. Unmöglich daher, Bilder der Anlagen und Maschinen abzudrucken. Diskretion ist und bleibt eben oberstes Gebot.

Lesen Sie dazu auch unser Interview mit DND-Geschäftsführer Michael Humbek und hier geht es zu weiteren Meldungen von Dynamit Nobel Defence (DND).

Quelle@DND